Tierische VerwandlungenDüfte und Ahnungen von Synchronizität. Für Euphonium Solo
Der Auftrag, ein Solowerk für Euphonium zu schreiben, stellt gewisslich nicht vor kleine Schwierigkeiten; denn fehlen dem Instrument die Möglichkeiten der mehrstimmigen Spielweise wie – vordergründig – auch die Klangfarbe und Spiellage, die man gewöhnlich mit melodieführenden Instrumenten verbindet.
Die beachtliche Tiefe, die das bautechnisch aufgrund seiner Mensur, der äußeren Form und der vorzugsweisen Spielweise mit Kesselmundstück mit der Tuba verwandte Instrument erreichen kann, scheint gegen das Euphonium als Soloinstrument zu sprechen.
Doch allein die Namen, die dem Instrument verliehen wurden, widerlegen dies: Euphonium bedeutet sinngemäß Wohlklang, abgeleitet von der griechischen Vorsilbe „ἐυ“ (gut, wohl, richtig) und „φωνία“ (Klang). Auch der synonyme Name „Infanteriecello“ zeugt von der vielseitigen Verwendbarkeit des Instruments – dem Violoncello in der Streichgruppe vergleichbar.
An dem Werk mögen zunächst die etwas verrückt daherkommenden Satzbezeichnungen erstaunen, in der abschließenden „Schizofrenia“ gipfelnd; doch verläuft der Weg hierhin sehr geradlinig: Dem sich klanglich schnell einstellenden Bild vom „Ochsenkarren“ (Bydło) aus dem Zyklus „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgski in der Orchesterfassung von Maurice Ravel folgt geradezu zwanglos die Idee, unterschiedliche Tiere zu vertonen. Die Ermangelung polyphoner Möglichkeiten lässt schnell auf ein In-Reihe-Schalten anstelle des gleichzeitigen Auftretens der Protagonisten gelangen, wobei die metamorphotische Sichtweise nicht nur besondere Freude am Spiel ist, sondern zugleich eine musikalisch-formal blockhafte Abgrenzung einzelner „Sätze“ zu verhindern sucht.
Der Untertitel „Düfte und Ahnungen von Synchronizität“ wurde gewählt, weil Synchronizität, ein von Carl Gustav Jung geprägter Begriff, gerade im Bereich der Kunst eine große Rolle zu spielen scheint, so auch beim Schreiben dieses Werks. Zwei Beispiele:
- Die zweite Satzbezeichnung bezieht sich auf Salvador Dalís berühmtes Doppelbild „Swans Reflecting Elephants“ aus dem Jahre 1937. Das Gemälde lernte ich über die Lektüre einer Biografie über den Surrealisten während der Arbeit an diesem Teil des Werks kennen. So musste der Titel dieses Abschnitts nur noch leicht angepasst werden, ohne das die Musik hätte geändert werden müssen – gleich so, als hätten sich Musik und Gemälde gesucht und gefunden.
- Motivisch-thematisch ergaben sich zahlreiche Querverbindungen, wo diese überhaupt nicht (bewusst) geplant sein konnten: So antizipieren einzelne Motive „tierische“ Themen anderer Komponisten, während diese Themen noch gar nicht als Werkbestandteil feststanden.
So spielt die mir aufgrund zahlreicher Erfahrungen – den Begriff „Koinzidenzen“ hätte Jung hier wohl vermieden, weil diesem das schöpferisch sinnstiftende Potenzial fehlt – so wichtige Idee von „Synchronizität“ nicht nur auf Entdeckungen von Gleichzeitigkeit in der „Schizofrenia“ an, sondern ist im Kleinen auch mit der Entstehungsgeschichte des Werks verknüpft.