J. S. Bach, WeihnachtsoratoriumWerkeinführung und Libretto
Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium ist ein sechsteiliges Oratorium für Gesangssolisten, gemischten Chor und Orchester. Die große Orchesterbesetzung mit Holzbläsern (2 Traversflöten, 2 Oboen, 2 Oboe d’amore, 2 Oboe da caccia), den sprichwörtlichen Pauken und (drei) Trompeten, Streichorchester und Continuo ist dem hochfestlichen Anlass angemessen. Zwei Hörner finden ausschließlich im vierten Teil des Oratoriums Verwendung.
War zu Zeiten Bachs eine Aufführung der einzelnen Teile in sechs Gottesdiensten des Weihnachtsfestkreises vorgesehen – erstmalig zwischen dem Ersten Weihnachtsfeiertag 1734 und dem Epiphaniasfest 1735 – werden heute ausgewählte Teile (besonders häufig: Teile I–III) oder – seltener – das gesamte Oratorium im Konzertrahmen aufgeführt, und für viele Menschen gehört der Konzertbesuch zum alljährlichen festen Ritual in der (vor-)weihnachtlichen Zeit.
Libretto und Musikalische Formen
Das Libretto ist aus unterschiedlichen Textgattungen kompiliert:
Grundlegend ist der episch geprägte Text der Heiligen Schrift, den je zweiten Kapiteln der Evangelien nach Lukas und Matthäus entnommen. Diese Textpassagen sind als Rezitative und Turba-Chöre vertont.
Die freien Dichtungen – Autor ist wahrscheinlich Christian Friedrich Henrici alias Picander, mit dem Bach häufig und fruchtbar zusammengearbeitet hat – sind als Arien (mitunter in Sonderform von Duett oder Terzett), Chöre und Accompagnato-Rezitative vertont.
Eine dritte textliche Ebene stellen die – ebenfalls lyrisch geprägten – Choraltexte dar. Autoren sind unter anderem Paul Gerhardt, Johann Rist und Martin Luther.
Kontrafakturverfahren
Das Weihnachtsoratorium ist zu erheblichen Teilen im sogenannten Kontrafaktur bzw. Parodieverfahren entstanden. Dies meint, dass zahlreiche Sätze ursprünglich nicht für das Oratorium, sondern für andere, meist profane bzw. weltliche Kantaten komponiert wurden, um später mit geändertem Libretto in das Weihnachtsoratorium übernommen zu werden. Maßgebliche Grundlagen für die Teile I bis IV des Weihnachtsoratoriums sind die beiden Drammi per musica Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten! (BWV 214), 1733 anlässlich des Geburtstags Maria Josephas, Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen, komponiert, sowie „Lasst uns sorgen, lasst uns wachen. Die Wahl des Herkules“ (BWV 213) – auch bekannt als Herkules auf dem Scheideweg oder schlicht „Herkules-Kantate“.
Galt dieser Umstand in frühen Zeiten der Bach-Rezeption als anstößig, scheint diese Auffassung heute überwunden; denn
- Bach verwendet nur eigene Musikwerke als Vorlage.1
- Nicht nur ein grundlegender Habitus und Charakter, sondern auch der Detailbereich des Affekts ist dem neuen Text angemessen. Affekt meint hierbei, dass bestimmte musikalische Darstellungsmittel mit außermusikalischem Bedeutungsgehalt aufgeladen waren und definierten Gemütszuständen zugeordnet werden konnten, war doch der Barockkomponist nicht bemüht, seinem subjektiven Gefühlsleben mittels der komponierten Musik Ausdruck zu verleihen und auf das Auditorium zu transportieren, sondern vielmehr, dies mittels der eingesetzten Affekte rein handwerklich zu bewerkstelligen.2
- Als Vorlagen dienen selbstredend nur Werke herausragender Qualität.
- Einzelne Sätze unterzieht Bach neben der Neutextierung grundlegender Revision, um sie optimal in sein Oratorium einzupassen.
Gleichzeitig kann nicht verschwiegen werden, dass sich gewisse musikalische Phänomene einzelner Sätze unseres Oratoriums nur mit Kenntnis der originalen Vorlage deuten lassen.
Wenngleich musikwissenschaftlich nicht belegt, darf vermutet werden, dass die beiden genannten Drammi per musica von Beginn an auch im Hinblick auf eine spätere Umarbeitung zu einem Weihnachtsoratorium komponiert worden waren – wohl auch, um die herrliche Musik zu bewahren, musste Bach seine für einen singulären Anlass komponierten Huldigungskantaten der baldigen Vergessenheit preisgegeben wähnen.
Die einzelnen Teile des Oratoriums
Teil I: Jauchzet, frohlocket
Vorgesehener Aufführungszeitpunkt: 1. Weihnachtstag
Ein hochfestlicher Chor eröffnet Bachs gewaltiges Opus. Obwohl für ungezählte Hörer vieler Generationen Inbegriff des Jubels über die Geburt des Herrn, ist gerade dieser Chor ein eindrückliches Beispiel einer Kontrafaktur, ursprünglich nämlich Eröffnungssatz der Glückwunschkantate für Maria Josepha. So erschließt sich der Kunstgriff, ein solches Großwerk mit einem Paukensolo zu eröffnen, wie auch die Einsatzreihenfolge der übrigen Instrumentengruppen erst durch Rezeption des Originaltexts: „Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten! Klingende Saiten, erfüllet die Luft!“ Die Insignien weltlichen Königtums, die sprichwörtlichen Pauken und Trompeten, werden hier sinngemäß dem wahren König übertragen.
Mit dem bekannten Text des folgenden Rezitativs, „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augusto ausging, dass alle Welt geschätzet würde“, beginnt die Erzählung der Heilsgeschichte und einer der bekanntesten Texte der gesamten Menschheit. Weiter wird berichtet, dass Maria mit Erreichen der Stadt Bethlehem kurz vor der Geburt steht.
Im sich anschließenden Accompagnato-Rezitativ für zwei Oboe d’amore, Alt und Continuo, reflektiert Maria über die „zum Heil der Erden“ bevorstehende Geburt des „liebsten Bräutigam[s]“, Jesu, in dem sich die Prophezeiung erfüllt: „Nun wird der Stern aus Jakob scheinen, | Sein Strahl bricht schon hervor.“3
Die oberflächlich betrachtet von adventlicher Erwartungshaltung geprägte Arie „Bereite dich, Zion“4 lautet im Original „Ich will dich nicht hören, ich will dich nicht wissen, Verworfene Wollust, ich kenne dich nicht.“ Der Held der Kantate Nr. 213, Herkules, widersteht hier den Verlockungen der in persona auftretenden Wollust.5 Um diesen Satz in das Weihnachtsoratorium einzupassen, hat Bach zahlreiche Detailänderungen vorgenommen: So ist das ursprüngliche Unisono der 1. Violinen um eine Oboe d’amore – das Liebesinstrument – erweitert, die „staccato“-Anweisung entfiel und wurde durch weichere Artikulationsangaben ersetzt, die musikalisch allzu textausdeutenden Abschnitte auf „zermalmet, zerrissen“ wurden neu komponiert.
Trotz allem ist der häufig kolportierte liebliche Charakter dieser Arie auch in der Neufassung nicht ganz nachvollziehbar; mindestens ein gewisses Insistieren – wohl dem Imperativ „bereite“ geschuldet – kann ihr nicht abgesprochen werden.
Dem Choralsatz „Wie soll ich dich empfangen“ und der auffallend nüchtern geschilderten Geburt des Herrn folgt der Satz „Er ist auf Erden kommen arm“, eine hybride Form aus Rezitativ und Choralbearbeitung für (Chor-)Sopran und Bass, die von beiden Oboe d’amore und Continuo begleiteten werden.
Die mit Solotrompete, Streichern, Continuo und Bass besetzte festliche Musik der Arie „Großer Herr, o starker König“ entstammt ebenfalls der Glückwunschkantate „Tönet, ihr Pauken“ (Originaltext: „Kron und Preis gekrönter Damen“). Bis ins Detail passen Originalmusik und neuer Text zusammen: Das herrschaftliche Blasinstrument grüßt gleichsam den neugeborenen König, der durch zahlreiche Oktavsprünge im Continuo symbolisiert wird6, die gebrochenen Dreiklänge des Ritornells verweisen auf dessen Gottschaft7, wohingegen die zahlreichen Synkopen unter Fortlassung der Trompete eindrücklich die wohl hölzerne Krippe als unbequeme Schlafunterlage, sowie Kargheit und (vordergründige) Unangemessenheit der Szene nachzeichnen.
Der erste Teil des Oratoriums endet mit dem Choralsatz „Ach mein herzliebes Jesulein!“, dessen einzelne Zeilen je von kurzen feierlichen Zwischenspielen der drei Trompeten und Pauken durchbrochen werden.
Teil II: Und es waren Hirten in derselben Gegend
Vorgesehener Aufführungszeitpunkt: 2. Weihnachtstag
Die Verkündigung der Geburt Jesu durch die Engel an die Hirten beschreibt der zweite Teil des Oratoriums.
Bach illustriert die ländliche Idylle orchestral durch zwei Oboe da caccia, die den bereits vorhandenen Oboen zur Seite gestellt werden. Gleichzeitig werden Pauken und Trompeten in dieser Kantate ausgespart.
Ein reiner Orchestersatz, Sinfonia überschrieben, leitet diesen Teil ein. Stilistisch handelt es sich um eine Pastorale, im typischen wiegendem Siciliano-Rhythmus stehend, die den Dialog zwischen Hirten und Engelschören beschreibt. Während die Engelssphäre durch die Streichinstrumente mit colla parte geführten Traversflöten symbolisiert ist, repräsentieren die vier Oboen die Hirten.8 Setzt Bach beide Orchestergruppen zunächst meist alternierend ein, vereinigen sie sich schließlich zum Tutti.
Auch bietet dieser Satz ein eindrückliches Beispiel für die von Bach so häufig ein- und in Musik umgesetzte Zahlensymbolik: Die Zahl Neun repräsentiert traditionell die Zahl der Engelschöre, was auf die Systematisierung der Engel in drei Triaden zu je drei Typen zurückzuführen ist.9 Die Musik der Engel umfasst zu Beginn des Satzes genau neun Takte, bevor die Hirtenmusik erstmalig anhebt.
Das sich anschließende Secco-Rezitativ schildert in den bekannten Worten „Und es waren Hirten in derselben Gegend …“ die Begegnung der Hirten mit dem von Licht umgebenen himmlischen Boten. Der sich anschließende Choral greift diese Szene auf: „Brich an, o schönes Morgenlicht, | Und lass den Himmel tagen! | Du Hirtenvolk, erschrecke nicht, | Weil dir die Engel sagen …“
Die Worte „Fürchtet euch nicht …“ des Engels sind als sogenanntes instrumentiertes Secco-Rezitativ – eigentlich Contradictio in terminis – ausgeführt, wobei die dem Continuo beistehenden Streichinstrumente die lichtvolle Engelsgestalt symbolisieren – ein Kunstgriff, welchen Bach in seiner früher entstandenen Matthäus-Passion bei den Christus-Worten bereits angewendet hat.
Das Rezitativ Nr. 14 rekurriert erneut auf eine Prophezeiung: „Was Gott dem Abraham verheißen, | Das lässt er nun dem Hirtenchor | Erfüllt erweisen“: Die Verheißung an den Hirten Abraham erfüllt sich nun zuerst am zur Krippe eilenden Hirtenchor.
Der Satz ist mit den vier Oboen, Bass und Continuo besetzt.
Die Originalfassung der sich anschließenden Arie „Frohe Hirten, eilt, ach eilet“ entstammt wiederum der Kantate Nr. 214. Neben einigen Detailänderungen wurden die zwei originalen, unisono spielenden Oboen durch eine Traversflöte und der Alt durch den Tenor ersetzt. Überdies erfolgte eine Transposition von h- nach e-Moll, wobei das Transpositionsintervall in etwa dem Abstand der beiden Stimmlagen entspricht. Der Arienaufbau ist zwei- statt dreiteilig, und hierbei unterstützt das fehlende Da capo programmatisch die Aussage des Textes; denn eine musikalisch-formale Wiederholung des Anfangs käme der Rückkehr zum Ausgangspunkt der Reise gleich.
Auch kommen in dieser Arie wie bei inhaltlich vergleichbaren Sätzen zahlreiche Imitationstechniken zum Einsatz, die stete Bewegung illustrierend.
Zwei Beispiele aus anderen Werken mögen dies unterstreichen: zum einen die Arie „Ich folge Christo nach“ aus der berühmten Kantate Nr. 12, zum anderen der übergewaltige Eingangschor der Matthäus-Passion.
Auch wieder lässt das Beispiel unserer Arie offen, ob die musikalische Vorlage lediglich hervorragend ausgewählt und umtextiert oder direkt im Hinblick auf das Weihnachtsoratorium komponiert wurde.
Das folgende Rezitativ Nr. 16 ist dem Tenor (=Evangelist) zugewiesen und ohne begleitende Streichinstrumente vertont, obwohl das Libretto die wörtliche Rede des Engels fortsetzt: „Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“ Warum Bach sich für den Solotenor entschied, ist nicht ganz ersichtlich. Eine „Korrektur“ durch Besetzung mit Sopran, dem traditionell die Rolle des Engels zugewiesen ist, und der zur Bach-Zeit von einem Knaben gesungen wurde, ist aufgrund der fehlenden Streicher-Begleitung gleichfalls inkonsequent.
Der folgende Choralsatz „Schaut hin, dort liegt im finstern Stall“ stellt bei aller Schlichtheit eine große Besonderheit dar: Alle vier Choralzeilen enden in C-Dur, obwohl die 3. Zeile eine Ausweichung verlangt. Eine derartige harmonische Disposition ist unter allen überlieferten Choralsätzen Bachs, die sich harmonisch und melodisch – sofern der Cantus firmus von Bach selbst stammt – durch einen enorm großen Stufenreichtum auszeichnen, einzigartig. Eine Synkopenfolge der Bassstimmen im vorletzten Takt illustriert – wie erinnerlich – das Ruhen des Kindes in der harten Krippe. Schließlich endet der Cantus firmus auf c′, worunter sich ein C-Dur-Klang in enger Satzlage aufbaut. Dies ist der tiefstmögliche Klang, den Bach in seinem Choralschaffen überhaupt erreicht hat.
Mit einfachsten, doch sehr subtilen, sich erst durch die Analyse erschließenden Mitteln veranschaulicht der Komponist auf knappstem Raum das Innerste der Szene, sie gleichfalls theologisch interpretierend.
Ein zweiteiliges Rezitativ für die vier Oboen, Bass und Continuo folgt. In einem ersten Teil hört man gleichsam die schnellen Schritte der Hirten („So geht denn hin, ihr Hirten“), in einem zweiten – durch triolisches Schaukeln dargestellt – das sanfte Wiegen der Krippe.
Die beliebte Arie „Schlafe, mein Liebster, genieße der Ruh“ stellt als Kontrafaktur gewissermaßen ein Sakrileg dar. Der Herkules-Kantate entnommen, schildert sie ursprünglich das Locken der Wollust, die bemüht ist, Herkules sanft in den Schlaf zu singen und zu verführen. Der laszive Text des Originals lautet: „Schlafe, mein Liebster, und pflege der Ruh, | Folge der Lockung entbrannter Gedanken. | Schmecke die Lust | Der lüsternen Brust | Und erkenne keine Schranken.“
Dass Bach die gleiche Musik als Schlaflied für den Heiland verwendet, mag geradezu verstörend wirken; doch muss man sich vergegenwärtigen, dass der Barockkomponist eine universelle Bedeutung der genannten Affekte annahm. Die in beiden Fällen gleichfalls funktionierenden musikalischen Symbole sind unter anderem lange Haltetöne oder -akkorde, synkopisch abwärts steigende Linien, die ein sanftes Eindämmern darstellen und jeweils in einem übermäßigen Schritt gipfeln, der wiegende 2/4-Takt, der bloße Umfang des Stücks, übermäßige Abwärtssprünge usf. Aufwärtsgerichtete übermäßige Quartsprünge in halbschwere Taktzeiten hingegen sind nicht zu überhörende Spitzen. Im Barock wurde diesem Intervall – wie einigen weiteren – der auch hier so passende Ausdruck saltus duriusculus, also „etwas harter Sprung“ verliehen.
Mit vollem Streichorchester, den vier Oben, einer Soloflöte, Alt und Continuo kommt fast das gesamte Orchester zum Einsatz. Klanglich auffällig und reizvoll ist, dass der Komponist die Singstimme ausnahmslos colla parte von der 1. Traversflöte mitspielen lässt, was ihr einen eigenartig-weichen Charakter verleiht.
Das Original verzichtet auf sämtliche Holzblasinstrumente, ist mit Sopran statt Alt besetzt und steht in B- statt G-Dur.
Der Ankündigung durch den Evangelisten folgt der große Turba-Chor der „himmlischen Heerscharen“, dessen Text als Gloria-Beginn Eingang in das Ordinarium gefunden hat: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“
Turba-Chor meint hierbei, dass der Chor im Bibeltext auftretende Gruppen vertritt und den ihnen zugewiesenen Text in wörtlicher Rede wiedergibt. Neben diesem Beispiel existiert nur ein weiterer Turba-Chor im Weihnachtsoratorium: die Nr. 26 aus der 3. Kantate. Die übrigen Chöre folgen freien Dichtungen und sind nicht unmittelbar in das dramatische Geschehen eingeflochten.
Die drei Textaussagen werden je unterschiedlich vertont und schließlich verkürzt wiederholt, so dass sich ein A-B-C—A’–B’–C’-Aufbau ergibt.
Der A-Teil, „Ehre sei Gott“, ist durch einen gleichsam himmelwärts strebenden Quartsprung motivisch geprägt, der im piano und mit weichen Streicher- und Flötenmotiven vertonte „und Friede auf Erden“-Abschnitt verweist mit ihrer Quintfallharmonik h–H–e–E–a–A–d auf irdische Gefilde, das „Wohlgefallen“ der Menschen schließlich wird in langen Sechzehntel-Melismen zum Ausdruck gebracht.
Mit dem folgenden Rezitativ ruft der Solotenor die Zuhörer/die Gemeinde/die gesamte Christenheit auf, in den englischen Chor mit einzustimmen, was durch den den 2. Teil des Werks beschließenden Choral vollzogen wird. Auch die Zeilen dieses Schlusschorals werden von Orchesterzwischenspielen durchbrochen, wobei auf die Hirtenmusik der die Kantate eröffnenden Sinfonia zurückgegriffen wird, womit Bach eine verbindende Klammer schafft.
Dass die Gemeinde gemeinsam mit den Engeln musiziert, verdeutlicht Bach gleichfalls einfach wie genial: Während der Chor-Bass lange Notenwerte singt, begleitet das Continuo – also der Orchester-Bass – mit dem in der Sinfonia vorgestellten englischen Rhythmus.
Teil III: Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen
Vorgesehener Aufführungszeitpunkt: 3. Weihnachtstag
Der dritte Teil schildert die Anbetung der Hirten. Die Besetzung dieses Teils entspricht dem des ersten.
Der der Kantate namengebende Eingangschor „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“ wurde ursprünglich als Schlusschor der Kantate Nr. 214 komponiert. Das Anfangszeilen des Librettos lauten im Original „Blühet, ihr Linden in Sachsen, wie Zedern!“ Nach festlich-tänzerischem Vor- und Zwischenspiel folgt je eine überlange, dem Chor übertragene Melodie, deren Einzelphrasen den einzelnen Stimmgruppen zugewiesen werden, welche nacheinander mit unterschiedlichen Textausschnitten einsetzen.
Vergleichbare Aufbauten sind gerade als Schlusssätze typisch, da sich die Chor- oder Solostimmen gleichsam einzeln verabschieden – sei es vom Publikum, dem besungenen Fürsten im Falle der Huldigungskantaten oder – wie im letzten Rezitativ der Bach’schen Matthäus-Passion – vom toten Jesus.
Dies mag ein Grund sein, warum Bach diesen Chor am Ende der Kantate, diese beschließend, wieder aufgreift.
Nachdem die Engel „gen Himmel“ gefahren sind (Rezitativ Nr. 25), machen sich die Hirten im folgenden Turba-Chor auf den Weg gen Bethlehem.
Während das Soggetto in einer wild-vertrackten Einsatzfolge durch alle Chorstimmen wandert, ist das Eilen der Hirten durch einen Walking Bass – wie aus dem Jazz bekannt – des Continuos und eine fast ununterbrochen fortlaufende Sechzehntelkette der Flöten und 1. Violinen symbolisiert.
Ob dieser Chor Kontrafaktur ist, gilt als nicht gesichert.
Das sich nahtlos anschließende Rezitativ „Er hat sein Volk getröst’, er hat sein Israel erlöst“ für zwei Traversflöten, Bass und Continuo sowie der folgende Choralsatz „Dies hat er alles uns getan“ erläutern die Bewandtnis der Menschwerdung Gottes und die hieraus für die Menschheit resultierenden Konsequenzen.
Bei dem Choral handelt es sich um eine sogenannte Leise, deren Text mit „Kyrieleis“ endet.
Die Arie „Herr, dein Mitleid“ meditiert über die Hinwendung Gottes zum Menschen und ist mit zwei Oboe d’amore, Sopran, Bass und Continuo besetzt. Während das Original mit zwei Violen besetzt ist, verbleibt die hiesige Fassung durch Verwendung der Doppelrohrblattinstrumente im Sujet des Stalls.
Viele Detailänderungen erfuhr das Duett bei der Integration in das Weihnachtsoratorium, wovon nur ein bekanntes Detail hervorgehoben werden mag: Ab dem 6. Takt des B‑Abschnitts der Arie wandert die Bassstimme wellenförmig von e′ bis E um zwei Oktaven in die Tiefe – Symbol für die Menschwerdung Gottes. Das Original – übrigens ein Liebesduett dessen Text an das Duett zwischen Adam und Eva aus Joseph Haydns Die Schöpfung erinnert10 – korrigiert hingegeben die Oktavlage durch einen aufwärtsgerichteten Nonsprung am Beginn einer der „Wellen“. Andernfalls würde ein nicht spielbar tiefer Ton im Original erreicht. Dieses Problem umgeht Bach in der Neufassung durch Transposition von F- nach A-Dur.
Die Hirten erreichen schließlich den Stall, finden Maria, Joseph und das Kind und verbreiten endlich das Wort, „welches zu ihnen von diesem Kind gesaget war … Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.“
Die folgende, neu komponierte Arie für Violine solo, Alt und Continuo greift kontemplativ das Einschließen der Worte in das glaubende Herz auf. Es handelt sich um ein weiteres Schlaflied, das, wie schon „Schlafe, mein Liebster“, im 2/4-Takt steht und mit dem Soloalt, der marianischen Stimme – der Text spricht in der 1. Person –, besetzt ist.
Der formale Aufbau der Arie ist beachtenswert. Das Eingangs-Ritornell des komponierten Da capos ist von ursprünglich 24 auf nur vier Takte verkürzt, der sich anschließende Gesangspart ab dem 13. Takt stark variiert. Das Schluss-Ritornell schließlich greift nicht wie üblich die gesamte instrumentale Einleitung auf, sondern nur deren Takte 13 bis 24.
Das sich anschließende Rezitativ „Ja, ja, mein Herz soll es bewahren“, sowie der folgende Choralsatz „Ich will dich mit Fleiß bewahren“ bekräftigen die Aussage, so dass sich die Nummern 30 bis 33 thematisch zu einem Komplex verbinden.
Rezitativ 34 schildert die Umkehr der Hirten, der Choral 35 ihre Freude über das Erlebte: „Seid froh dieweil.“
Mehr als ungewöhnlich ist, dass der Choral in Moll endet; denn fast alle Moll-Choralsätze Bachs enden mit Picardischer Terz in Dur.11 Grund ist wohl, dass die Schlusstonart fis-Moll und das D-Dur der sich anschließenden Wiederholung des Eingangschors natürlich vermittelbar sind.
Teil VI: Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben
Vorgesehener Aufführungszeitpunkt: Epiphanias (6. Januar)
Nach dem vierten, fast ausschließlich kontemplativ gehaltenen Teil12, der die Beschneidung Christi thematisiert und dem fünften, der den Besuch der drei Weisen schildert, knüpft der das Gesamtwerk beschließende sechste Teil thematisch zwar an den fünften an; doch stehen hier Herodes als Stellvertreter aller Christus-Feinde auf der einen und die Christus-Nachfolger, die auf den Glauben bauend dem Feind trotzen auf der anderen Seite im Mittelpunkt.
Bach besetzt diese Kantate wieder mit den drei Trompeten der Teile I und III, wobei die Partie der 1. Trompete zum Anspruchsvollsten gehört, was die barocke Musikliteratur bereithält. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass Barocktrompeten, wie sie in diesem Konzert zum Einsatz kommen, keine Ventile besitzen.
Nach den zahlreichen weihnachtlich-beschaulichen Sätzen der vorangegangenen Teile trumpft der formal sehr komplexe und technisch anspruchsvolle Eröffnungschor „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“ mit geradezu kriegerischen Klängen auf. Auffallend ist, dass das Orchester nicht wie in den übrigen Sätzen dem Chor begleitend zur Seite gestellt ist, sondern wie ein „fünfter Mann“ die vier Stimmgruppen im Kampf unterstützt. In der Schlussphase, die man als freie Reprise auffassen kann, vereinigen sich schließlich Chor und Orchester zum dynamischen Höhepunkt des gesamten Oratoriums.
Das Secco-Rezitativ Nr. 55 zeichnet die Begegnung der drei Weisen mit Herodes nach. Letztgenannter tritt als Soliloquent auf, also als in wörtlicher Rede sprechende Dramatis persona – eine Ausnahme im Weihnachtsoratorium. Die hinterlistige Falschheit seiner Aussage „Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein, und wenn ihr’s findet, sagt mir’s wieder, dass ich auch komme und es anbete“ drückt Bach durch eine melismatische Verzierung des typischen abschließenden Quartfalls der Gesangspartie aus, die aufgrund einer horrend-falschen Silbenverteilung die Antipathie des Hörers gegen Herodes sublim zu maximieren versteht.
Das mit Streichern, Sopran und Continuo besetzte Accompagnato-Rezitativ Nr. 56 schilt Herodes, dessen „falsches Herz … des Höchsten Sohn … sehr wohl bekannt“ ist, mit den Worten „Du Falscher, suche nur den Herrn zu fällen.“
Die Arie „Nur ein Wink von seinen Händen | Stürzt ohnmächtger Menschen Macht“ – wie auch das vorausgegangene Rezitativ mutmaßlich Kontrafaktur mit nicht eindeutiger Quellenlage – schildert Jesus als Richter, der mit einem Wink der Menschen Macht stürzen und mit nur einem Wort den Stolz seiner Feinde zu beenden weiß.
Neben einem komplexen Formaufbau ist die Notation im 3/4-Takt auffällig, nimmt der Hörer doch (zunächst) einen 2/4-Takt wahr. Bach steigert auf diese Weise die Arie zu einem rhythmisch-metrisch hochinteressanten Vexierspiel.
Es schließt sich die Erzählung der Ankunft der Weisen und deren Darbringung ihrer Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe, an, und der bekannte Choralsatz „Ich steh an deiner Krippen hier“ schließt alle Gläubigen in diese intime Szene mit ein.
Das kurze Rezitativ „Und Gott befahl ihnen im Traum“ schildert den Befehl Gottes an die Weisen, nicht zu Herodes zurückzukehren und die Heimkehr in ihr Land.
Die Allgegenwart Jesu – bei den Weisen selbst wie auch bei allen Gläubigen –, schildert das komplexe und sich attacca anschließende Rezitativ Nr. 61 für zwei Oboe d’amore, Tenor und Continuo Die Bitte, Jesus möge bei flehentlichen Rufen seine Hilfe erweisen, vertont Bach in einem abschließenden Adagio-Abschnitt.
Bei beibehaltener Besetzung betont die Arie „Nun mögt ihr stolzen Feinde schrecken“ etwas trotzig das Wissen um Jesu Allgegenwart, das die Furcht vor jedem Feind zu nehmen vermag. Das Verbleiben Jesu beim lyrischen Ich drückt Bach durch mehrmaliges Verweilen auf mit Fermaten markierten Klängen und einen kurzen Adagio-Abschnitt aus.
Das Recitativo à 4 ist nach Art des oben bereits genannten Abschiedsrezitativs gestaltet: Die vier Solisten trennen sich gleichsam siegesgewiss vom Publikum: „Was will der Höllen Schrecken nun, | Was will uns Welt und Sünde tun, | Da wir in Jesu Händen ruhn?“
Der das Gesamtwerk beschließende Choral „Nun seid ihr wohl gerochen13 | An eurer Feinde Schar“ ist mit Orchester-Tutti besetzt und lässt durch seine umfangreichen Vor-, Zwischen- und Nachspiele eher an einen festlichen Chor denken. Er verarbeitet den gleichen Cantus firmus wie auch der erste Choralsatz des Oratoriums (Nr. 5, „Wie soll ich dich empfangen“).
So bilden Tonartendisposition aller sechs Kantaten, Orchesterbesetzung und Wiederaufnahme der bekannten Melodie gleichsam eine große Klammer um das Gesamtwerk und fassen es zu einem tatsächlichen Oratorium zusammen.
Libretto
Teil I: Jauchzet, frohlocket! Auf, preiset die Tage
- Chor
Jauchzet, frohlocket! auf, preiset die Tage,
Rühmet, was heute der Höchste getan!
Lasset das Zagen, verbannet die Klage,
Stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!
Dienet dem Höchsten mit herrlichen Chören,
Lasst uns den Namen des Herrschers verehren!- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augusto ausging, dass alle Welt geschätzet würde. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt David, die da heißet Bethlehem; darum, dass er von dem Hause und Geschlechte David war: auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.
- Rezitativ (Alt)
Nun wird mein liebster Bräutigam,
Nun wird der Held aus Davids Stamm
Zum Trost, zum Heil der Erden
Einmal geboren werden.
Nun wird der Stern aus Jakob scheinen,
Sein Strahl bricht schon hervor.
Auf, Zion, und verlasse nun das Weinen,
Dein Wohl steigt hoch empor!- Arie (Alt)
Bereite dich, Zion, mit zärtlichen Trieben,
Den Schönsten, den Liebsten bald bei dir zu sehn!
Deine Wangen
Müssen heut viel schöner prangen,
Eile, den Bräutigam sehnlichst zu lieben!- Choral
Wie soll ich dich empfangen
Und wie begegn’ ich dir?
O aller Welt Verlangen,
O meiner Seelen Zier!
O Jesu, Jesu, setze
Mir selbst die Fackel bei,
Damit, was dich ergötze,
Mir kund und wissend sei!- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippen, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
- Choral (Chor-Sopran) und Rezitativ (Bass)
Er ist auf Erden kommen arm,
Wer will die Liebe recht erhöhn,
Die unser Heiland vor uns hegt?Dass er unser sich erbarm,
Ja, wer vermag es einzusehen,
Wie ihn der Menschen Leid bewegt?Und in dem Himmel mache reich,
Des Höchsten Sohn kömmt in die Welt,
Weil ihm ihr Heil so wohl gefällt,Und seinen lieben Engeln gleich.
So will er selbst als Mensch geboren werden.
Kyrieleis!
- Arie (Bass)
Großer Herr, o starker König,
Liebster Heiland, o wie wenig
Achtest du der Erden Pracht!
Der die ganze Welt erhält,
Ihre Pracht und Zier erschaffen,
Muss in harten Krippen schlafen.- Choral
Ach mein herzliebes Jesulein,
Mach dir ein rein sanft Bettelein,
Zu ruhn in meines Herzens Schrein,
Dass ich nimmer vergesse dein!
Teil II: Und es waren Hirten in derselben Gegend
Sinfonia
- Rezitativ (Tenor)
Evangelist Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und siehe, des Herren Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herren leuchtet um sie, und sie furchten sich sehr.
- Choral
Brich an, o schönes Morgenlicht,
Und lass den Himmel tagen!
Du Hirtenvolk, erschrecke nicht,
Weil dir die Engel sagen,
Dass dieses schwache Knäbelein
Soll unser Trost und Freude sein,
Dazu den Satan zwingen
Und letztlich Friede bringen!- Rezitativ (Tenor, Sopran)
Evangelist
Und der Engel sprach zu ihnen:
Engel
Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt David.
- Rezitativ (Bass)
Was Gott dem Abraham verheißen,
Das lässt er nun dem Hirtenchor
Erfüllt erweisen.
Ein Hirt hat alles das zuvor
Von Gott erfahren müssen.
Und nun muss auch ein Hirt die Tat,
Was er damals versprochen hat,
Zuerst erfüllet wissen.- Arie (Tenor)
Frohe Hirten, eilt, ach eilet,
Eh ihr euch zu lang verweilet,
Eilt, das holde Kind zu sehn!
Geht, die Freude heißt zu schön,
Sucht die Anmut zu gewinnen,
Geht und labet Herz und Sinnen!- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
- Choral
Schaut hin, dort liegt im finstern Stall,
Des Herrschaft gehet überall!
Da Speise vormals sucht ein Rind,
Da ruhet itzt der Jungfrau’n Kind.- Rezitativ (Bass)
So geht denn hin, ihr Hirten, geht,
Dass ihr das Wunder seht:
Und findet ihr des Höchsten Sohn
In einer harten Krippe liegen,
So singet ihm bei seiner Wiegen
Aus einem süßen Ton
Und mit gesamtem Chor
Dies Lied zur Ruhe vor!- Arie (Alt)
Schlafe, mein Liebster, genieße der Ruh,
Wache nach diesem vor aller Gedeihen!
Labe die Brust,
Empfinde die Lust,
Wo wir unser Herz erfreuen!- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Und alsobald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen:
- Chor
Die Engel
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.
- Rezitativ (Bass)
So recht, ihr Engel, jauchzt und singet,
Dass es uns heut so schön gelinget!
Auf denn! wir stimmen mit euch ein,
Uns kann es so wie euch erfreun.- Choral
Wir singen dir in deinem Heer
Aus aller Kraft, Lob, Preis und Ehr,
Dass du, o lang gewünschter Gast,
Dich nunmehr eingestellet hast.
Teil III: Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen
- Chor
Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen,
Laß dir die matten Gesänge gefallen,
Wenn dich dein Zion mit Psalmen erhöht!
Höre der Herzen frohlockendes Preisen,
Wenn wir dir itzo die Ehrfurcht erweisen,
Weil unsre Wohlfahrt befestiget steht!- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander:
- Chor
Die Hirten
Lasset uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.
- Rezitativ (Bass)
Er hat sein Volk getröst’,
Er hat sein Israel erlöst,
Die Hülf aus Zion hergesendet
Und unser Leid geendet.
Seht, Hirten, dies hat er getan;
Geht, dieses trefft ihr an!- Choral
Dies hat er alles uns getan,
Sein groß Lieb zu zeigen an;
Des freu sich alle Christenheit
Und dank ihm des in Ewigkeit.
Kyrieleis!- Arie (Duett) (Sopran, Bass)
Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen
Tröstet uns und macht uns frei.
Deine holde Gunst und Liebe,
Deine wundersamen Triebe
Machen deine Vatertreu
Wieder neu.- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Und sie kamen eilend und funden beide, Mariam und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kind gesaget war. Und alle, für die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesaget hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.
- Arie (Alt)
Schließe, mein Herze, dies selige Wunder
Fest in deinem Glauben ein!
Lasse dies Wunder, die göttlichen Werke,
Immer zur Stärke
Deines schwachen Glaubens sein!- Rezitativ (Alt)
Ja, ja, mein Herz soll es bewahren,
Was es an dieser holden Zeit
Zu seiner Seligkeit
Für sicheren Beweis erfahren.- Choral
Ich will dich mit Fleiß bewahren,
Ich will dir
Leben hier,
Dir will ich abfahren,
Mit dir will ich endlich schweben
Voller Freud
Ohne Zeit
Dort im andern Leben.- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Und die Hirten kehrten wieder um, preiseten und lobten Gott um alles, das sie gesehen und gehöret hatten, wie denn zu ihnen gesaget war.
- Choral
Seid froh dieweil,
Dass euer Heil
Ist hie ein Gott und auch ein Mensch geboren,
Der, welcher ist
Der Herr und Christ
In Davids Stadt, von vielen auserkoren.- Chor
Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen,
Laß dir die matten Gesänge gefallen,
Wenn dich dein Zion mit Psalmen erhöht!
Höre der Herzen frohlockendes Preisen,
Wenn wir dir itzo die Ehrfurcht erweisen,
Weil unsre Wohlfahrt befestiget steht!
Teil IV: Fallt mit Danken, fallt mit Loben
- Chor
Fallt mit Danken, fallt mit Loben
Vor des Höchsten Gnadenthron!
Gottes Sohn
Will der Erden
Heiland und Erlöser werden,
Gottes Sohn
Dämpft der Feinde Wut und Toben.- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Und da acht Tage um waren, dass das Kind beschnitten würde, da ward sein Name genennet Jesus, welcher genennet war von dem Engel, ehe denn er im Mutterleibe empfangen ward.
- Rezitativ (Bass) und Choral (Sopran)
Immanuel, o süßes Wort!
Mein Jesus heißt mein Hort,
Mein Jesus heißt mein Leben.
Mein Jesus hat sich mir ergeben,
Mein Jesus soll mir immerfort
Vor meinen Augen schweben.
Mein Jesus heißet meine Lust,
Mein Jesus labet Herz und Brust.Jesu, du mein liebstes Leben,
Komm! Ich will dich mit Lust umfassen,
Meiner Seelen Bräutigam,
Mein Herze soll dich nimmer lassen,
Der du dich vor mich gegeben
Ach! So nimm mich zu dir!
An des bittern Kreuzes Stamm!
Auch in dem Sterben sollst du mir
Das Allerliebste sein;
In Not, Gefahr und Ungemach
Seh ich dir sehnlichst nach.
Was jagte mir zuletzt der Tod für Grauen ein?
Mein Jesus! Wenn ich sterbe,
So weiß ich, dass ich nicht verderbe.
Dein Name steht in mir geschrieben,
Der hat des Todes Furcht vertrieben.- Arie (Sopran)
Flößt, mein Heiland, flößt dein Namen
Auch den allerkleinsten Samen
Jenes strengen Schreckens ein?
Nein, du sagst ja selber nein. (Nein!)
Sollt ich nun das Sterben scheuen?
Nein, dein süßes Wort ist da!
Oder sollt ich mich erfreuen?
Ja, du Heiland sprichst selbst ja. (Ja!)- Rezitativ (Bass) und Choral (Sopran)
Wohlan, dein Name soll allein
In meinem Herzen sein!Jesu, meine Freud und Wonne,
Meine Hoffnung, Schatz und Teil,So will ich dich entzücket nennen,
Wenn Brust und Herz zu dir vor Liebe brennen.Mein Erlösung, Schmuck und Heil,
Hirt und König, Licht und Sonne,Doch, Liebster, sage mir:
Wie rühm ich dich, wie dank ich dir?Ach! wie soll ich würdiglich,
Mein Herr Jesu, preisen dich?- Arie (Tenor)
Ich will nur dir zu Ehren leben,
Mein Heiland, gib mir Kraft und Mut,
Dass es mein Herz recht eifrig tut!
Stärke mich,
Deine Gnade würdiglich
Und mit Danken zu erheben!- Choral
Jesus richte mein Beginnen,
Jesus bleibe stets bei mir,
Jesus zäume mir die Sinnen,
Jesus sei nur mein Begier,
Jesus sei mir in Gedanken,
Jesu, lasse mich nicht wanken!
Teil V: Ehre sei dir, Gott, gesungen
- Chor
Ehre sei dir, Gott, gesungen,
Dir sei Lob und Dank bereit.
Dich erhebet alle Welt,
Weil dir unser Wohl gefällt,
Weil anheut
Unser aller Wunsch gelungen,
Weil uns dein Segen so herrlich erfreut.- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Da Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande zur Zeit des Königes Herodis, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenlande gen Jerusalem und sprachen.
- Chor und Rezitativ (Alt)
Die Weisen
Wo ist der neugeborne König der Jüden?
Sucht ihn in meiner Brust,
Hier wohnt er, mir und ihm zur Lust!Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlande und sind kommen, ihn anzubeten.
Wohl euch, die ihr dies Licht gesehen,
Es ist zu eurem Heil geschehen!
Mein Heiland, du, du bist das Licht,
Das auch den Heiden scheinen sollen,
Und sie, sie kennen dich noch nicht,
Als sie dich schon verehren wollen.
Wie hell, wie klar muss nicht dein Schein,
Geliebter Jesu, sein!- Choral
Dein Glanz all Finsternis verzehrt,
Die trübe Nacht in Licht verkehrt.
Leit uns auf deinen Wegen,
Dass dein Gesicht
Und herrlichs Licht
Wir ewig schauen mögen!- Arie (Bass)
Erleucht auch meine finstre Sinnen,
Erleuchte mein Herze
Durch der Strahlen klaren Schein!
Dein Wort soll mir die hellste Kerze
In allen meinen Werken sein;
Dies lässet die Seele nichts Böses beginnen.- Rezitativ (Tenor)
Evangelist Da das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm das ganze Jerusalem.
- Rezitativ (Alt)
Warum wollt ihr erschrecken?
Kann meines Jesu Gegenwart euch solche Furcht erwecken?
O! solltet ihr euch nicht
Vielmehr darüber freuen,
Weil er dadurch verspricht,
Der Menschen Wohlfahrt zu verneuen.- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Und ließ versammlen alle Hohepriester und Schriftgelehrten unter dem Volk und erforschete von ihnen, wo Christus sollte geboren werden. Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem im jüdischen Lande; denn also stehet geschrieben durch den Propheten: Und du Bethlehem im jüdischen Lande bist mitnichten die kleinest unter den Fürsten Juda; denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein Herr sei.
- Arie (Terzett) (Sopran, Alt, Tenor)
Ach, wenn wird die Zeit erscheinen?
Ach, wenn kömmt der Trost der Seinen?
Schweigt, er ist schon würklich hier!
Jesu, ach so komm zu mir!- Arie (Alt)
Mein Liebster herrschet schon.
Ein Herz, das seine Herrschaft liebet
Und sich ihm ganz zu eigen gibet,
Ist meines Jesu Thron.- Choral
Zwar ist solche Herzensstube
Wohl kein schöner Fürstensaal,
Sondern eine finstre Grube;
Doch, sobald dein Gnadenstrahl
In denselben nur wird blinken,
Wird es voller Sonnen dünken.
Teil VI: Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben
- Chor
Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben,
So gib, dass wir im festen Glauben
Nach deiner Macht und Hülfe sehn!
Wir wollen dir allein vertrauen,
So können wir den scharfen Klauen
Des Feindes unversehrt entgehn.- Rezitativ (Tenor, Bass)
Evangelist
Da berief Herodes die Weisen heimlich und erlernet mit Fleiß von ihnen, wenn der Stern erschienen wäre? und weiset sie gen Bethlehem und sprach:
Herodes
Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein, und wenn ihr’s findet, sagt mir’s wieder, dass ich auch komme und es anbete.
- Rezitativ (Sopran)
Du Falscher, suche nur den Herrn zu fällen,
Nimm alle falsche List,
Dem Heiland nachzustellen;
Der, dessen Kraft kein Mensch ermißt,
Bleibt doch in sichrer Hand.
Dein Herz, dein falsches Herz ist schon,
Nebst aller seiner List, des Höchsten Sohn,
Den du zu stürzen suchst, sehr wohl bekannt.- Arie (Sopran)
Nur ein Wink von seinen Händen
Stürzt ohnmächtger Menschen Macht.
Hier wird alle Kraft verlacht!
Spricht der Höchste nur ein Wort,
Seiner Feinde Stolz zu enden,
O, so müssen sich sofort
Sterblicher Gedanken wenden.- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Als sie nun den König gehöret hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenlande gesehen hatten, ging für ihnen hin, bis dass er kam und stund oben über, da das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreuet und gingen in das Haus und funden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und täten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen.
- Choral
Ich steh an deiner Krippen hier,
O Jesulein, mein Leben
Ich komme, bring und schenke dir,
Was du mir hast gegeben.
Nimm hin! es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel und Mut, nimm alles hin,
Und lass dirs wohlgefallen!- Rezitativ (Tenor)
Evangelist
Und Gott befahl ihnen im Traum, dass sie sich nicht sollten wieder zu Herodes lenken, und zogen durch einen andern Weg wieder in ihr Land.
- Rezitativ (Tenor)
So geht! Genug, mein Schatz geht nicht von hier,
Er bleibet da bei mir,
Ich will ihn auch nicht von mir lassen.
Sein Arm wird mich aus Lieb
Mit sanftmutsvollem Trieb
Und größter Zärtlichkeit umfassen;
Er soll mein Bräutigam verbleiben,
Ich will ihm Brust und Herz verschreiben.
Ich weiß gewiss, er liebet mich,
Mein Herz liebt ihn auch inniglich
Und wird ihn ewig ehren.
Was könnte mich nun für ein Feind
Bei solchem Glück versehren!
Du, Jesu, bist und bleibst mein Freund;
Und werd ich ängstlich zu dir flehn:
Herr, hilf!, so lass mich Hülfe sehn!- Arie (Tenor)
Nun mögt ihr stolzen Feinde schrecken;
Was könnt ihr mir für Furcht erwecken?
Mein Schatz, mein Hort ist hier bei mir.
Ihr mögt euch noch so grimmig stellen,
Droht nur, mich ganz und gar zu fällen,
Doch seht! mein Heiland wohnet hier.- Rezitativ (Sopran, Alt, Tenor, Bass)
Was will der Höllen Schrecken nun,
Was will uns Welt und Sünde tun,
Da wir in Jesu Händen ruhn?- Choral
Nun seid ihr wohl gerochen
An eurer Feinde Schar,
Denn Christus hat zerbrochen,
Was euch zuwider war.
Tod, Teufel, Sünd und Hölle
Sind ganz und gar geschwächt;
Bei Gott hat seine Stelle
Das menschliche Geschlecht.
Zu Zeiten, in denen Begriffe wie Copyright, Geistiges Eigentum, Schöpfungshöhe usf. unbekannt waren, war es durchaus legitim, Werke anderer Komponisten zu parodieren.↩︎
Die barocke Affektenlehre ist ein überaus umfangreicher und hochspannender Forschungsgegenstand und – wie z. B. auch die Numerologie – für das Verständnis Bach’scher Musik grundlegend.↩︎
Vgl. 4. Buch Mose, 24,17: „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich erblicke ihn, aber nicht in der Nähe: Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel. Er zerschlägt Moab die Schläfen und allen Söhnen Sets den Schädel.“↩︎
Mit Zion ist in der christlichen Symbolsprache die Gottesmutter Maria gemeint, die ihrem Sohn neun Monate lang Tempel war. Auch kann sich der Begriff auf die gesamte Christenheit, die ihren Bräutigam, Christus, erwartet, ausweiten. NB: Der Begriff Tochter Zion hingegen meint die Heilige Stadt.↩︎
Siehe auch die Arie „Schlafe, mein Liebster“.↩︎
Der Zahl Acht und somit auch dem Oktavintervall wird in der christlichen Numerologie eine herausragende Bedeutung beigemessen und traditionell als Jesus- und Auferstehungssymbol verwendet, da Jesus am achten Tag von den Toten erweckt wurde, wobei der achte Tag die Überhöhung der Anzahl der Schöpfungstage meint. Darüber hinaus steht die Acht für die Zahl der Menschen, die vor der Sintflut gerettet wurden, den Tag der Beschneidung neugeborener Jungen – also auch Jesu – gemäß der jüdischen Tradition, die Zahl der Seligpreisungen usf. Auch Taufsteine tragen durch ihre häufig achteckige Bauweise dieses Symbol. Musikalisch ist die Oktave mit ihrem einfachen Teilungsverhältnis 2:1 das reinste Intervall – in der heute bei Tasteninstrumenten gebräuchlichen gleichstufigen Stimmung sogar das einzige mathematisch korrekt gestimmte.↩︎
Die Zahl Drei steht für die Trinität.↩︎
Die Schalmei ist Vorläufer aller Oboeninstrumente und typisches Symbol der Hirtenmusik.↩︎
Seraphim, Cherubim, Throne; Herrschaften, Mächte, Gewalten; Fürstentümer, Erzengel, Engel.↩︎
Herkules: „Ich bin deine,“ Tugend: „Du bist meine,“ beide: „Küsse mich, | Ich küsse dich. | Wie Verlobte sich verbinden, | Wie die Lust, die sie empfinden, | Treu und zart und eiferig, | So bin ich.“↩︎
Neben dem vorliegenden Satz findet sich nur ein weiteres Beispiel in Bachs Gesamtwerk.↩︎
Mit Lk 2,21 wird nur ein einziger Bibelvers vertont. Die Texte der übrigen Sätze sind frei gedichtet.↩︎
Mit „gerochen“ ist das Partizip II des Verbs „rächen“ gemeint. Die Wortform leitet sich also nicht vom Verb „riechen“ ab. Im heutigen Deutsch ist die Form „gerächt“ üblich, so dass der Titel des Chorals in eine moderne Sprachfassung übertragen lautete: „Nun seid ihr wohl gerächt“.↩︎