Konzert für Streichquartett SOLOStreichquartett Nr. 2

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Der sich gleichsam als Oxymoron verstehende Titel des 2. Streichquartetts verdankt sich einer formalen Eigenart: Vier der fünf Sätze münden in eine für das Konzert charakteristische Solo-Kadenz (beim letzten Satz ist die Kadenz vorangestellt) für eins der Streichinstrumente, gleich so, als handle es sich um Kadenzen zweier Violin- und je eines Viola- und Cello-Konzerts.

Das Wort „SOLO“ unterstreicht dabei die reine Quartettbesetzung in Abgrenzung zu Konzerten für Streichquartett plus Orchester bzw. Ensemble – eine Gattung, die Louis Spohr 1845 einführte. So werden die Kammermusikgattung des Streichquartetts und das Konzert unter einem einzigen Formprinzip subsumiert.

Die Satzbezeichnungen sind entweder formal-analytisch zu verstehen oder versuchen, die emotionalen Grundstimmungen der einzelnen Sätze nachzuzeichnen. Jene Titel wurden – im Debussy’schen Sinne – nach oder während des Kompositionsvorgangs gewählt, erheben weder programmatischen Anspruch noch stehen sie in einem übergeordneten Kontext zueinander.

1. Satz

Der Titel des ersten Satzes, D’APRÈS BACH * körnung · rezitativ mit rhythmitechnischer fuge · kadenz I, beschreibt dessen formalen Aufbau im Groben. Als reiner Pizzicato-Satz konzipiert, liegt dem Satz das „Anklopf-Rezitativ“ aus Bachs Kantate Nr. 61 zugrunde. Während das Anklopfen des Herrn bei Bach geduldig und mit „gleichmüthiger Regelmäßigkeit“ (Philipp Spitta) geschieht, sind Ausdruck und Spieltechnik im vorliegenden Werk radikal. Nicht jedoch ist dies als religiös-programmatische Re-Interpretation des Textes (Offenbarung 3,20) zu verstehen, sondern einzig als künstlerische Auseinandersetzung mit der Musik des Meisters. Das Violoncello übernimmt die erste Kadenz, auch da Pizzicato- und Klopftechniken auf diesem Instrument am deutlichsten zu differenzieren sind.

2. Satz

SÄUSELT’S OFF’NEN GRÄBERN ÜBER * mit kadenz II ist der nervös fluktuierende zweite Satz in liquidem Aggregatzustand. Der gesamte Satz wird mit sordinierten Instrumenten gespielt, was den Klang nicht nur weicher und leiser, sondern auch falsettierend, amorph erscheinen lässt – wie durch den Äther gehaucht. Der Satz hebt nach dem eigentlichen Ende mit einer appendix-artig nachgeschobenen Kadenz der 2. Violine ein weiteres Mal an.

3. Satz

Mittelalterlichen Satztechniken nachempfunden, ist der dritte Satz, HOQUETUS PRAELUDENS, hoquetierend gebaut, d. h., dass die vier Spieler nie gleichzeitig spielen, sondern derart, „dass, wenn einer pausiert, der andere nicht pausiert und umgekehrt.“ (Franco von Köln, 13. Jh.). Aus eben diesem Grund kann der Satz als Quadrupel-Kadenz aufgefasst werden, spielt jedes Instrument doch ausschließlich solistisch. Motivisch fungiert er als Vorspiel zu dem sich anschließenden langsamen Satz und ist von etüdenhafter Schwierigkeit, was nicht nur auf technische Hürden zurückzuführen ist, sondern auf die besonderen Ansprüche im Zusammenwirken der Musiker.

4. Satz

Der groß angelegte vierte Satz hört auf den Titel BENEDIKT IM TRAUM * chaconne-notturno · der nachtstute ritt · kadenz III. Der Grundcharakter ist der des Wiegenliedes. Als thematisch führend eingesetztes Instrument der Chaconne übernimmt die geliebte Bratsche auch die Kadenz – ein Herzstück des Werks.

5. Satz

Letzter Satz, CHASSE · PREDIGT · GEBET * mit vorangestellter kadenz IV con choral

wilde Pizzicato-Abschnitte … pot-au-feu-artige Rekapitulationen …

Mit dem Öffnen der Tür Weitung des Werks zur Predigt …

Gebet …