In PrincipioFür Flöte, Viola, Harfe, Posaune und Sopran
Als kurzes und schlichteres Werk für Flöte, Viola und Harfe – eine von Claude Debussy geprägte Kammermusikbesetzung – geplant, wurde In Principio aus programmatischen Gründen frühzeitig um eine Posaune und später um eine Sopranstimme erweitert und wuchs zu einem musikalisch, kontrapunktisch und metaphorisch komplexen Opus von schwebendem Klangcharakter an.
Musikalisch nachgezeichnet werden der Weg von der Schöpfung bis zur Auflösung in die Unendlichkeit.
Statischer Anhub des ersten Satzes – einfache Linien, „mystische Klangfolge“, die leitmotivisch das Werk durchzieht. Plötzlicher Fingerzeig, nervöses Flirren, ein Weben, Rufe der Posaune; Leben überall.
Beim zweiten Satz handelt es sich um eine kontrapunktisch äußerst komplexe Fuge – eingefasst durch das Seikilos-Lied, der ältesten bekannten schriftlich überlieferten Musik der Menschheitsgeschichte. Nach juvenil-schwunghaftem Anhub weiter im halben Tempo. Mit nicht gekannter Eigendynamik sträubte sich die Fuge, ihr ursprüngliches Tempo wieder aufzunehmen – wäre es kompositorisch auch ein Leichtes gewesen, und so erklärt sich diese Phase als Spätherbst eines individuellen Lebenswegs.
„Memento mori!“-Rufe von Sopran und Posaune; Reminiszenzen an den Anbeginn. In der kontrapunktisch dichtesten Phase – das Subjekt erklingt zahlreiche Male ineinander verwoben, dabei auf vielerlei Weisen gespiegelt und in unterschiedlichen Tempi – Inversions-Kanon zwischen Viola und Sopran: „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig“; Vanitas-Motive; das Ende in Sicht.
Der dritte und vierte Satz gehen fließend ineinander über. Spröder Marsch der Posaune – kein Klagelied, sondern Widerwille, Trotz. Thema der vorangegangenen Fuge, „Geister-Thema“ Robert Schumanns, das Dies irae der gregorianischen Totenmesse – ein Totentanz-Quodlibet.
Mit der Choralzeile „Gute Nacht, du Stolz und Pracht!“ beginnt das Vergehen der Welt. Wieder Trauermarsch. Letzte Zeile des Seikilos-Liedes: „To telos ho chronos apaitei“ <span class=“divider”></span> „Das Ende bringt die Zeit von selbst“.
Der gesummt vorgetragene Hymnus „In paradisum deducant te angeli“ markiert den Beginn des Finales. Mehrere Kirchenlieder, deren Texte sich aus der Offenbarung des Johannes speisen, werden bei flirrenden Harfenklängen schlicht miteinander verwoben. <em>Maranatha</em>-Rufe, „Komm, Herr Jesus“, der Sopranistin. Wandlung von „maranâ thâ“ zu „maran athâ“ – „Der Herr ist gekommen“. Letzter Gesangseinwurf „O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit“. Mystische Klangfolge. Parusie.
Libretto
Hoson zēs, phainou///Solange du lebst, scheine.
mēden holōs sy lypou///Sei über nichts traurig;
pros oligon esti to zēn///das Leben ist kurz,
to telos ho chronos apaitei///und die Zeit verlangt ihren Tribut
Memento mori!
Ach wie nichtig,
Ach wie flüchtig
Sind der Menschen Tage!
Wie ein Strom beginnt zu rinnen
Und mit Laufen nicht hält innen,
So fährt unsre Zeit von hinnen!
Gute Nacht, du Stolz und Pracht! dir sei ganz, o Lasterleben, gute Nacht gegeben!
maranâ thâ … maranâ thâ …///Komm, Herr Jesus
maran athâ///Der Herr ist gekommen
O Ewigkeit, Zeit ohne Zeit.
Ewigkeit
Altgriechische Originalfassung des Seikilos-Lieds
Ὅσον ζῇς φαίνου
μηδὲν ὅλως σὺ λυποῦ·
πρὸς ὀλίγον ἐστὶ τὸ ζῆν.
τὸ τέλος ὁ χρόνος ἀπαιτεῖ.